Zu verstehen, wie ein Fahrzeug mit der Straße interagiert, ist für die Automobilentwicklung entscheidend. Präzise und zuverlässige Daten liefern Ingenieuren die nötigen Anhaltspunkte, um neue Verbesserungspotenziale zu finden und Fahrzeuge zu entwickeln, die den Komfort und die Sicherheit der Passagiere in jeder Fahrsituation sicherstellen. Mit der Elektrifizierung werden Aspekte noch wichtiger, da sich die Architektur, die Leistung und das Verhalten von Fahrzeugen weiterentwickeln. Die Erfassung präziser und zuverlässiger Messwerte ist jedoch nicht einfach – insbesondere, wenn sie in rauen Fahrumgebungen durchgeführt wird, in denen Reifenleistung und Fahrzeugdynamik an ihre Grenzen stoßen.
Messtechnik von Kistler für die Reifenentwicklung moderner Fahrzeuge
Die Fahrzeugentwicklung stützt sich stark auf Messdaten von der Straße. Doch genaue und zuverlässige Daten aus der realen Welt zu erhalten, ist keine leichte Aufgabe. Aus diesem Grund wurde Seaside Racing ins Leben gerufen. Megaride, ein Projekt der Universität Neapel, hat sich der Entwicklung innovativer Simulationssoftware für Reifen- und Fahrzeugdynamiktests verschrieben. Gemeinsam mit Kistler, dem Marktführer für dynamische Messtechnik, begründete Megaride vor vier Jahren die jährliche Veranstaltung. Diese bringt Innovatoren und Forscher aus dem Automobilbereich zusammen, um die Fahrzeugdynamik sowie die Reifenleistung unter Wettbewerbsbedingungen zu testen. Damit bildet die Veranstaltung die Grundlage für Innovationen, die auf Messdaten basieren.

Innovation auf Basis realer Messdaten
Unter Rennbedingungen sind sowohl konventionelle als auch elektrische Fahrzeuge extremen Kräften ausgesetzt. Modernste Messtechnik erfasst hier wichtige physikalische Größen genau, um technische Modelle zu charakterisieren. Mit diesem Ziel organisiert Megaride das jährliche Seaside Racing: Ein Spin-off-Projekt der Universität Neapel, das 2015 gegründet wurde und sich seitdem zunehmend auf den Technologietransfer in der Automobiltechnik konzentriert. Megaride unterstützt seine Kunden mit Simulationssoftware und Entwicklungswerkzeugen, die Erkenntnisse aus der angewandten Forschung und reale Messdaten zusammenbringen und so Innovationen ermöglichen. Andrea Sammartino, Projektkoordinator bei Megaride, verdeutlicht die Bandbreite und das Volumen der gesammelten Daten: „Im Jahr 2024 haben wir unter verschiedenen thermischen Bedingungen und unter diversen Verschleißkontexten fast 60 Stunden Echtzeit-Reifendaten gesammelt – zur Interaktion der Passagiere, zur Beschleunigung des Fahrzeugs und zum Einfluss der Fahrwerksdynamik auf die Reifenleistung und den Reifenverschleiß.“
Zuverlässige Erkenntnisse dank präziser Messtechnik von Kistler
Für Megaride sind Messdaten für die Weiterentwicklung ihrer Computersoftware und Modellierungswerkzeuge von entscheidender Bedeutung, schließlich bestimmt deren Genauigkeit die Zuverlässigkeit der virtuellen Modelle. Megaride ist insbesondere an Informationen über die Fahrzeugdynamik und die Reifenleistung interessiert und lässt diese in ihre innovative Simulationssoftware für Fahrzeugtests einfließen. Zur Datenerfassung verlassen sie sich auf bewährte Kistler-Lösungen für die Fahrdynamik: den Sensor Correvit S-Motion, den Radvektorsensor RV-4 und das RoaDyn Messrad (englisch Wheel Force Transducer, WFT). Der Sensor Correvit S-Motion wurde speziell für die Messung der Längs- und Quergeschwindigkeit von Fahrzeugen entwickelt und liefert Megaride insbesondere unter Extrembedingungen Daten zur Bewertung der Reifenkinematik. Der Radvektorsensor RV-4 ermöglicht die vollständige Erfassung der Radbewegung. Das Messrad RoaDyn misst gleichzeitig die auf die Räder wirkenden Kräfte und Momente und unterstützt die Ingenieure und Entwickler so dabei, die Interaktion der Fahrzeugräder mit der Fahrbahnoberfläche besser zu verstehen.
Präzise Messdaten zur Reifenkinematik und zur Fahrzeugdynamik
Die optischen Sensoren Correvit S-Motion von Kistler liefern wichtige Daten zu Fahrzeuggeschwindigkeit, Schräglaufwinkel und dynamischer Bewegung und bieten eine berührungslose Lösung zur Messung von Längs- und Querbewegungen. „Oftmals ist eine direkte Messung der Geschwindigkeitskomponenten erforderlich, um die Kinematik der Reifen zu bewerten. In dieser Hinsicht spielt S-motion eine Schlüsselrolle“, sagt Andrea Sammartino. Der optische Correvit S-Motion Sensor basiert auf einer fortschrittlichen Technologie, die die Fahrzeugdynamik mit hoher Auflösung erfasst und ausgeklügelte Algorithmen zur Analyse des von der Fahrbahnoberfläche reflektierten Lichts verwendet. Indem der Sensor mögliche Störungen durch externe Faktoren wie Reifenverschleiß, unterschiedliche Straßenverhältnisse oder mechanische Fehlausrichtung eliminiert, gewährleistet er genaue Messungen. Die Lösung verfolgt die Fahrzeugbewegung in Echtzeit und liefert genaue Daten zu Parametern wie Geschwindigkeit, Querbeschleunigung und Schräglaufwinkel. Diese führen zu wertvollen Erkenntnissen über das Verhalten der Reifenaufstandsfläche bei Kurvenfahrten, was für das Verständnis der Haftungsgrenzen und für die Optimierung der Reifenleistung von entscheidender Bedeutung ist.
Zum Testaufbau von Megaride gehört auch das Vektorsystem RV-4wheel von Kistler, ein robuster und schnell zu montierender Sensor, der zur Messung von Raum- und Richtungskoordinaten des Fahrzeugrads entwickelt wurde. Dank fünf hochpräziser Winkelgeber führt der RV-4 alle Bewegungen mit dem Rad aus, mit Ausnahme der Rotation um die Radachse. Dieser Sensor ermöglicht eine genaue Simulation der Reifen- und Fahrzeugdynamik und liefert damit weitere nützliche Informationen für die Entwicklung herkömmlicher Fahrzeuge und Motorsportanwendungen.
Auf das Rad wirkende Kräfte messen
Der RoaDyn WFT misst sechs Komponenten von Kraft und Moment – Längs-, Quer- und Vertikalkräfte sowie Drehmomente, die bei dynamischen Manövern wie Kurvenfahrten, Beschleunigung und Bremsen auftreten. Mit einer Belastbarkeit von bis zu 60 kN und einer Betriebsgeschwindigkeit von über 300 km/h ist das WFT robust genug, um den extremen Bedingungen standzuhalten. Er eignet sich daher ideal für den Motorsport und die Entwicklung von Elektrofahrzeugen, die schwerer sind und anders mit der Straße interagieren als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Das Messrad lässt sich außerdem nahtlos in bestehende Datenerfassungssysteme für Fahrzeuge integrieren und liefert kontinuierlich umfassende und hochpräzise Messungen, anhand derer Anwender die Leistung sowie die Reifen- und Fahrdynamik optimieren können.
Durch die Analyse der von Correvit S-Motion bereitgestellten Schlupf- und Driftwinkel in Verbindung mit Daten aus dem RV-4 und dem RoaDyn Messrad verfeinert Megaride seine Fahrzeugdynamikmodelle, sodass diese die reale Leistung genau widerspiegeln. Das erlaubt Rennteams sowohl während der Entwicklung als auch bei Rennen datengestützte Entscheidungen zu treffen. „Für uns sind diese Datenpunkte von unschätzbarem Wert bei der Erstellung und Validierung der Simulationsmodelle, die wir für Motorsportteams und Nutzfahrzeughersteller gleichermaßen entwickeln“, betont Andrea Sammartino.
Gemeinsam neue Wege beschreiten
Kistler unterstützt Megaride dabei, die sich wandelnden Anforderungen der Automobilindustrie und des Motorsports zu erfüllen. Andrea Sammartino fasst zusammen: „Das Augenmerk liegt aktuell eher auf den Bereichen Fahrverhalten und Komfort.“ Messdaten sind wichtige Werkzeuge für Entwicklungsingenieure – insbesondere, wenn sie unter Extrembedingungen gewonnen wurden, sind sie ein Schlüsselfaktor für den Fortschritt in der Automobilentwicklung. Durch den Einsatz der Messtechnik von Kistler leistet Megaride einen wertvollen Beitrag dazu, Leistung und Komfort in der sich schnell verändernden Automobilwelt zu optimieren. „Gemeinsam mit Kistler sind wir bestrebt, der Automobilindustrie die Daten zu liefern, die sie benötigt, um diese Herausforderungen zu meistern und das Fahrerlebnis zu verbessern.“