Weltweit erste Crashwand für Hochgeschwindigkeitszüge


1318 Kilometer – so weit sind die Millionenstädte Peking und Shanghai voneinander entfernt. Seit Juni 2011 können Fahrgäste mehrmals täglich zwischen den chinesischen Metropolen pendeln – in unter fünf Stunden Fahrzeit und bei Geschwindigkeiten bis zu 380 Kilometern pro Stunde. Die drittlängste Hochgeschwindigkeitsstrecke der Welt ist mit jährlich rund 100 Millionen Passagieren eine der meistfrequentierten des Landes. Damit der Schienenverkehr in China auch in Zukunft so hohen Passagierzahlen und Taktzeiten standhalten kann, müssen die Hochgeschwindigkeitszüge hohen Sicherheitsanforderungen gerecht werden. Dabei setzt der weltweit größte Anbieter von Schienenverkehrstechnik auf die Messexpertise von Kistler. Dank einer weltweit einzigartigen Crashwand lassen sich die Aufprallkräfte der Züge und deren Komponenten präzise messen und analysieren.

Hochgeschwindigkeitszüge gehören zu den wichtigsten Visitenkarten, wenn es um die Entwicklungskraft der chinesischen Wirtschaft geht: Sie sind sicher, schnell und komfortabel. Nicht umsonst besitzt China mit circa 20.000 Kilometern derzeit eines der größten Hochgeschwindigkeitsnetze der Welt. Weil die chinesische Eisenbahnbehörde Jahr für Jahr einen Zuwachs von fast einem Drittel mehr Reisenden verzeichnet, soll das Schienennetz für Schnellzüge bis 2020 um 50 Prozent vergrößert werden.
Wo hohe Geschwindigkeiten im Spiel sind, besteht allerdings auch ein erhöhtes Sicherheitsrisiko. Deshalb ist neben dem Ausbau des Hochgeschwindigkeitsschienennetzes auch die Fahrgastsicherheit
ein wichtiges Thema in China – insbesondere nach dem Bahnunglück in Shuanggyu (Provinz Zhejiang) in 2011 mit 40 Toten. Um den Bahnverkehr sicherer zu machen, wurde die Fahrgeschwindigkeit der Superexpresszügenach dem Unfall zunächst auf etwa 300 Kilometer pro Stunde beschränkt. Seit September 2017 liegt das Tempolimit bei 350 Kilometern pro Stunde.

Hochgeschwindigkeitszüge gehören zu den wichtigsten Visitenkarten, wenn es um die Entwicklungskraft der chinesischen Wirtschaft geht

Hochgeschwindigkeitszüge gehören zu den wichtigsten Visitenkarten, wenn es um die Entwicklungskraft der chinesischen Wirtschaft geht

Crashtests mit hohen Messbereichen

Der weltweit größte Anbieter von Schienenverkehrstechnik arbeitet seit Jahren an der Optimierung seiner Schienenfahrzeuge. In seinem eigenen Technologie- und Produktentwicklungszentrum führt das chinesische Großunternehmen regelmäßig umfangreiche Crash- und Komponententests an seinen Hochgeschwindigkeitszügen durch. Das erklärte Ziel: die personellen und materiellen Schäden im Falle eines Crashs so gering wie möglich zu halten und den Schienenverkehr nachhaltig zu entwickeln. Um zu testen, welche Aufprallkräfte auf die Züge und deren Komponenten einwirken, setzt das Unternehmen auf die Messtechnik von Kistler. Seit Ende 2017 ist in der Crashhalle eine Anwendung von Kistler im Einsatz, die es so noch nirgendwo gegeben hat: die erste Crashwand für  Hochgeschwindigkeitszüge.

Christof Sonderegger, Produktmanager Test & Measurement bei Kistler, ist für das Großprojekt verantwortlich. „Eine Applikation wie diese haben wir in unserer gesamten Unternehmensgeschichte bisher noch nicht betreuen dürfen. Mit der Crashwand für Hochgeschwindigkeitszüge betreten wir einen Messbereich, der bis zu 20 Mal höher ist als bei gängigen Crashtests in der Automobilbranche. Autos werden mit bis zu 64 Kilometern pro Stunde gegen die Wand gefahren. Die Züge unseres chinesischen Kunden hingegen prallen mit bis zu 72 Kilometern pro Stunde gegen die Wand und erzeugen eine Kraft, die einer Masse von 10.000 Tonnen entspricht.“

Modulares Konzept mit frei kombinierbaren Sensoren

Die Herausforderung für Kistler bestand darin, eine kundenspezifische Crashwand zu entwickeln, die sowohl den hohen Aufprallkräften der Hochgeschwindigkeitszüge gewachsen ist als auch modular und erweiterbar ist. Hinzu kamen der sehr straffe Zeitplan und die Forderung nach einer schlüsselfertigen Lösung. „Eine solch anspruchsvolle Aufgabe konnten wir nur dank der hervorragenden internen Zusammenarbeit lösen“, erklärt Sonderegger.

Nach einer mehrwöchigen, intensiven Engineering-Phase konnten die Messtechnikexperten eine Crashwand mit insgesamt sechs Segmentplatten entwickeln. Auf jeder dieser Platten können 36 Sensoren installiert werden. Ein wesentlicher Vorteil: Die Sensoren lassen sich flexibel miteinander kombinieren und decken sämtliche Lastanforderungen ab. Bei Bedarf besteht die Möglichkeit, die Crashwand um weitere drei Segmentplatten mit zusätzlichen Sensoren zu erweitern. In der Crashwand des chinesischen Kunden haben die Ingenieure von Kistler 1-Komponenten-Kraftsensoren mit den Messbereichen 700 kN, 2,5 MN, 5 MN und 10 MN installiert. Die Sensoren sind fertig kalibriert und garantieren eine konstante Messgenauigkeit über einen weiten Kraftbereich.

Zukunftsweisende DTI-Technologie

Die digitale Elektronik, die sogenannte DTI-Technologie (Digital Transducer Interface), ist in den Kraftsensoren von Kistler integriert.

„Die DTI-Technologie wird bereits seit einigen Jahren erfolgreich in der Fahrzeugsicherheit, Fahrdynamik und Betriebsfestigkeit eingesetzt. Unsere Ingenieure konnten diese einzigartige Technologie bei unserem Kunden in China ebenfalls integrieren.“

Christof Sonderegger, Produktmanager Test & Measurement bei Kistler

Bei Sensoren mit DTI-Technologie wird das Signal im Sensor digitalisiert und mit einem Bus weitergeleitet. Die Sensordaten fließen störsicher in den zentralen Kistler DTI-Logger und werden via Ethernet in den Rechner übertragen und aufgezeichnet.

Exzellenter Service vor Ort

Die Sensoren, Elektronik sowie das Prüfequipment wurden in Winterthur (Schweiz), dem Hauptsitz von Kistler, gefertigt. Die Segmentplatten ließen die Messtechnikexperten von einem Lieferanten vor Ort produzieren. Das Kistler Tech Center in Shanghai war für den Systemtest der Segmentplatten und die Installation beim Kunden verantwortlich. Zuletzt wurde die kundenspezifische Crashwand im Technologie- und Produktentwicklungszentrum des chinesischen Großunternehmens installiert. Seit Ende 2017 ist die Crashwand von Kistler nun im Einsatz. „Unser Kunde ist mit dem modularen Konzept mit den frei kombinierbaren Sensoren und dem robusten Interface sehr zufrieden. Für zukünftige Tests plant das Unternehmen weitere Sensoren und Segmentplatten bei uns zu bestellen“, freut sich Sonderegger.

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