Gruyère Space Program meistert Vibrations- und Schubtests für VTVL-Raketenhopper mit Kistler


Das Gruyère Space Program (GSP), gegründet von drei Schweizer Studierenden, hat mit dem Colibri den ersten frei fliegenden, wiederverwendbaren Raketenhopper Europas entwickelt. Der Flüssigkeitsraketenhopper startet senkrecht, navigiert autonom und landet sicher auf der Startrampe. Unterstützt durch Messtechnik von Kistler hat das GSP-Team Schubtests und Vibrationsüberwachung durchgeführt, um die Antriebs- und Steuerungsalgorithmen zu optimieren – und nun hat der weltweit erste von Studenten gebaute Raketenhopper seine Mission mit Bravour gemeistert!

Die Reise begann, als drei Freunde – Schüler desselben Gymnasiums – ihre gemeinsame Leidenschaft für den Weltraum und die Raumfahrt entdeckten. Im November 2018 – kurz nachdem Jérémy Marciarq, Julie Böhning und Simon Both ihr Studium an der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) begonnen hatten – begannen sie mit kleinen 3D-gedruckten Modellen zu experimentieren. Inspiriert wurden sie von SpaceX und den weltweiten Fortschritten in der wiederverwendbaren VTVL-Raketentechnologie (vertical take-off, vertical landing).

Das Gruyère Space Program, eine Schweizer Studentenvereinigung, hat erfolgreich einen VTVL-Raketenhopper entwickelt.
Das Gruyère Space Program, eine Schweizer Studentenvereinigung, hat mit Unterstützung der Messtechnik von Kistler erfolgreich einen wiederverwendbaren Raketenhopper (VTVL-Hopper) entwickelt und geflogen.

Als die drei Studenten einen Verein zur Entwicklung eines VTVL-Raketenhoppers gründeten, nannten sie ihn „Gruyère Space Program“ – nach ihrer Heimatregion in der Westschweiz, die natürlich auch für ihren Käse berühmt ist. Zwei weitere EPFL-Studenten schlossen sich ihnen an und bildeten ein Kernteam von fünf Mitgliedern, die während des gesamten Projekts an Bord blieben. GSP operiert von einer Scheune in Lessoc im Herzen der Gruyère-Region aus, professionalisierte sich bald und gewann über 60 Sponsoren, darunter die Kistler Gruppe als Gold-Partner.

Julie Böhning, eine der drei Mitbegründerinnen, hat an der EPFL Robotertechnik studiert und wurde später CEO von PAVE Space SA, dem aus der GSP entstandenen Unternehmen. Sie erzählt: „Wir haben die Messtechnik von Kistler während unseres Praktikums in Deutschland kennengelernt und sind Kistler später auf der Space Tech Expo wieder begegnet. Wir wussten also, dass sie der Goldstandard für Weltraumtests sind und waren begeistert, als sie als Sponsor an Bord kamen.“

Raketentriebwerkstests: Kritische Unterstützung bei Schubtests und Vibrationsüberwachung

Colibri, der wiederverwendbare VTVL-Raketendemonstrator, ist 2,45 Meter hoch und wird von einem Flüssigkeitsraketentriebwerk angetrieben, das Distickstoffmonoxid (N2O) und Isopropanol (IPA) als Treibstoffe nutzt. Es erzeugt einen Schub von bis zu 1,25 kN und trägt eine Nutzlast von 3 kg. Für die Tests setzte das Gruyère Space Program drei verschiedene Sensoren von Kistler ein: 

  1. Piezoelektrischer Kraftaufnehmer 9333A: Wird für die Schubprüfung und -charakterisierung eingesetzt, direkt vor dem Injektorkopf montiert und misst den Schub mit einem Messbereich (Fz) von 0 bis 50 kN.
     
  2. Piezoelektrischer Drucksensor 601CAA: Dieser Sensor misst Drücke bis 250 bar bei Betriebstemperaturen von –196°C bis 350°C. Installiert in einem kleinen Kanal zwischen Einspritzkopf und Brennkammer, lieferte der 601CAA entscheidende Daten zur Drucküberwachung und Optimierung des Verhältnisses zwischen Raketenschub und Brennkammerdruck.
     
  3. Triaxialer IEPE-Beschleunigungsaufnehmer (Integrated Electronics Piezo-Electric) 8763B: Der Sensor wurde für die Überwachung und Analyse von Schwingungen eingesetzt.

Jérémy Marciacq erklärt: „Wir haben mit verschiedenen Montagepunkten experimentiert: Letztendlich lieferte der Beschleunigungsmesser die repräsentativsten Daten, als er an unserem INS (Inertial Navigation System) angebracht wurde. Diese Messwerte halfen bei der Charakterisierung des Antriebs und der Feinabstimmung der Flugsteuerung.“ Julie Böhning ergänzt: „Ohne Schwingungskompensation ‚tanzte‘ der Hopper zunächst unkontrolliert herum. Erst nachdem wir die Steuerungsalgorithmen auf Basis der Beschleunigungsmessdaten optimiert hatten, konnte er eine stabile Position halten.“

Europas erster frei fliegender Raketenhopper: erfolgreicher Abschluss des Flugprogramms!

Bis Oktober 2024 ist das Team des Gruyère Space Program auf 15 Mitglieder aus ganz Europa angewachsen. Colibri absolvierte 53 Flüge in unterschiedlichen Höhen, führte spezielle Manöver aus und transportierte verschiedene Nutzlasten – und landete jedes Mal sicher. Mit dem Abschluss dieser Freiflugkampagne wurde GSP zum ersten studentischen Projekt, das eine wiederverwendbare VTVL-Rakete entworfen und gestartet hat. Julie Böhning reflektiert: „Der Transfer von der Theorie in die Praxis war wirklich ein großer Sprung für alle. Was die Messtechnik betrifft, hat uns Ayoub Bounouara von Kistler sehr gut unterstützt. Es ist gar nicht so einfach, bei Raketentriebwerks- und Schubtests verlässliche Daten zu erhalten, aber die Technologie von Kistler ist hochpräzise – und hat sich am Ende als noch hilfreicher erwiesen, als wir erwartet hatten.“

Das Sponsoring von Kistler umfasste sowohl die Sensoren selbst als auch eine komplette Messkette mit KiDAQ-Hardware und jBEAM-Software. KiDAQ ist ein universelles Datenerfassungssystem, das eine intuitive Konfiguration und automatische Synchronisation für alle angeschlossenen Sensoren bietet. Bis zu 13 Module und ein Controller lassen sich in einem flexiblen Gehäuse (tragbar, Rack oder DIN-Schiene) integrieren und erfassen mehr als 20 verschiedene Signaltypen. „Wir haben mit KiDAQ wirklich gute Erfahrungen gemacht – es ist benutzerfreundlich, äußerst zuverlässig und quasi Plug-and-Play“, berichtet Jérémy Marciarq. „jBEAM hat uns bei der schnellen Verarbeitung von Messdaten und beim Auffinden und Filtern von Resonanzfrequenzen geholfen, um unsere Closed-Loop-Simulation und die Steuerung des Raketenhoppers zu optimieren.“ jBEAM ist eine leistungsstarke Software von Kistler zur Messdatenanalyse. Sie unterstützt den Datenimport aus über 100 Dateiformaten und bietet vielseitige Visualisierungsmöglichkeiten, fortschrittliche Analysefunktionen sowie automatisierte Berichterstellung.

Von VTVL-Raketen zur Weltraumlogistik: GSP entwickelt sich zu PAVE Space

Nach der erfolgreichen Demonstration des VTVL-Raketenhoppers durch das Gruyère Space Program gründeten die Mitglieder des Teams, die mittlerweile ihren Abschluss an der EPFL gemacht hatten, ihr eigenes Unternehmen: PAVE Space, mit Sitz in Renens bei Lausanne. PAVE Space baut auf dem Know-how von GSP auf und leistet Pionierarbeit im Bereich der Weltraumlogistik. Dabei setzt das Unternehmen seine Expertise in den Bereichen GNC-Algorithmen (Guidance, Navigation and Control) und Antriebstechnologie ein, um innovative Lösungen für Docking-Technologie zu entwickeln. „Die Betankung ist besonders in der Erdumlaufbahn von entscheidender Bedeutung“, erklärt Böhning. „Unsere Technologie hat das Potenzial, die Lebensdauer von Satelliten zu verlängern und wird Logistik, Montage und Wartung der großen Weltrauminfrastruktur von morgen unterstützen.“

Nach erfolgreichem Abschluss der ersten Investorenrunde sind nun konkrete Ziele in Aussicht: Im Jahr 2027 wird PAVE Space an einem speziellen Satellitenstart beteiligt sein und Technologien für die Annäherung und Inspektion von Satelliten bereitstellen. Für 2030 strebt PAVE Space ein Rendezvous mit einem TV-Satelliten an, bei dem ihr Raumfahrzeug als zweites Antriebssystem fungieren wird, um die Lebensdauer bereits im All befindlicher Objekte zu verlängern. Julie Böhning zieht abschließend Bilanz: „In der Anfangsphase konzentrieren wir uns darauf, unseren Kunden unsere Software zur Verfügung zu stellen. Aber sobald wir wieder auf Hardware zurückgreifen müssen, werden wir gerne erneut mit Kistler zusammenarbeiten. Ihre Technologie war für Raketentriebwerkstests, Schubcharakterisierung, Druck- und Vibrationsüberwachung unerlässlich – und unsere Partnerschaft bleibt auch auf persönlicher Ebene stark.“

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